
Das Ende des Westens wie wir ihn kennen
Mit Timothy Snyder, Karolina Wigura und Christoph von Marschall
Um die Zukunft des Westens ging es am 17. Oktober bei einer Kooperationsveranstaltung der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens beim Bund mit dem Deutschen Polen-Institut und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Der Westen, so Staatsekretär Dr. Mark Speich in seinem Grußwort, sei als politisches Konzept von zentraler Bedeutung für die Geschichte der Bundesrepublik und der Europäischen Union. Bezugnehmend auf Joachim Fest wies er darauf hin, dass die liberale Demokratie, für die der Westen stehe, stets besonderer Sorgsamkeit bedürfe.
Die Gefahr für diesen Westen, die von illiberalen Kräften ausgeht, skizzierte Prof. Dr. Timothy Snyder in seiner Rede, in der er die zentralen Konzepte aus seinem jüngst erschienenen Buch „Der Weg in die Unfreiheit“ darlegte. Zentrale These dabei ist, dass insbesondere Russland versuche, durch Desinformation und Agitation in sozialen Netzwerken, eine politische Perspektivlosigkeit zu befördern, mit der das zentrale Fortschrittsversprechen des „Westens“ untergraben werde. Dabei solle die aktuelle „Politik der Unausweichlichkeit“, in der die Weltgeschichte anscheinend unaufhaltsam ihren Lauf nimmt, zu einer „Politik der Ewigkeit“ überzugehen, in der es keinen Fortschritt gibt und deshalb auch keine Vision und keine Hoffnung.
Diese sehr abstrakte Analyse konnte die Journalistin, Historikerin und Publizistin Dr. Karolina Wigura mit sehr konkreten Eindrücken aus dem politischen Diskurs in Polen ergänzen. Die pessimistische Schlussfolgerung Snyders, dass die westliche Vorstellung von pluralistischen Demokratien in Angesicht der populistischen Herausforderung zu scheitern drohe, konnte sie mit Hinweis auf die bevorstehenden Kommunalwahlen in Polen indes nicht teilen.
Auch der Buchautor und diplomatische Chefkorrespondent des Tagesspiegels Dr. Christoph von Marschall vertrat eine pragmatischere Sichtweise auf die aktuellen weltpolitischen Spannungen. Wichtig sei vor allem, durch einen intensiveren Dialog und durch ein besseres Verständnis der jeweiligen Befindlichkeiten und Interessen der Akteure zu erreichen.
Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Manfred Sapper, dem Chefredakteur der Zeitschrift „Osteuropa“.