Konferenz zur Zukunft Europas

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23. Juni 2021

Die Konferenz zur Zukunft Europas hat begonnen

Bericht aus der ersten Plenarversammlung

Die Konferenz zur Zukunft Europas ist angetreten, um bis 2022 Antworten für die Zukunft der Europäischen Demokratie zu formulieren und die nächsten Schritte der europäischen Integration vorzuzeichnen. Europastaatssekretär Mark Speich berichtete in unserer Online-Veranstaltung aus der ersten Plenarversammlung. Katrin Böttger, Direktorin des Institut für Europäische Politik, skizzierte die Erwartungen, die an die Zukunftskonferenz gerichtet sind. Die Moderation hatte die freie Moderatorin Pia Schulte.

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Am Samstag, dem 19. Juni 2021, fand in Straßburg und hybrid die erste Plenarversammlung der EU-Zukunftskonferenz statt. Für den Ausschuss der Regionen als Delegierter mit dabei: Dr. Mark Speich, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales, Bevollmächtigter des Landes beim Bund.

Die Plenarversammlung umfasst knapp 500 Mitglieder. Sie nimmt Bürgervorschläge auf, diskutiert sie und legt zu gegebener Zeit seine Vorschläge dem Exekutivausschuss vor, der mit dem Plenum einen Bericht erstellen wird. Die eigentliche Botschaft, so Speich, ist zunächst diese: Gut, dass es losgegangen ist. Bei der ersten Plenarversammlung gab es stolze 150 Redebeiträge, wobei inhaltlich der Wiederholungsanteil nicht gering war und gewisse Überschneidungen auftraten. Da der Vortrag aus vorformulierten Statements bestand, kam zum Auftakt naturgemäß noch keine echte Debatte auf. Die ist für die Folgeversammlungen zu erwarten. Laut Speich zeigte sich dabei ein sehr vielstimmiger Chor, der interessanterweise sowohl von Seiten der EU-Institutionen wie auch der Bürgerschaft im Kern ähnliche Botschaften transportierte.

Erstens: Unmittelbare Krisen haben deutlich gemacht, dass die EU resilienter und handlungsfähiger werden muss. Zweitens: Europa ist global in besonderer Weise herausgefordert, etwa durch autoritäre Systeme, die aber in Krisen effektiv sein können. Liberale Demokratien haben nicht per se einen Performanzvorsprung und nicht in in allen Bereichen funktioniert. Drittens: Die EU als solche muss noch stärker an die Bürgerschaft herangetragen werden, ein Thema, das auch bei den letzten Europawahlen bereits eine wichtige Rolle gespielt hat. Falsch wäre es jedoch, so Speich, die EU per se als bürgerfern zu deklarieren. Das Prinzip der repräsentativen Demokratie ist nicht funktionsunfähig. Gerade die Europaabgeordneten haben vielfältige und intensive Bürgerkontakte, aber es gibt auch Verbesserungsmöglichkeiten. In Nordrhein-Westfalen und an vielen Orten Europas werden Bürgerforen organisiert, über die die Menschen Konzepte und Ideen unmittelbar in den Prozess einspeisen können. Aus vergangenen Europawahlen hat die Erkenntnis gebracht, dass sich die Beteilugung zwar gesteigert hat, aber sehr ungleich verteilt ist.

Entscheidend wird für Speich sein, dass der Prozess, der aus der Konferenz folgt, transparent und gut kommuniziert ist. Es wäre verheerend, wenn niemand das Schicksal der im Laufe der Konferenz erarbeiteten Vorschläge nachvollziehen kann. Es dürfe nicht der falsche Eindruck entstehen, Partizipation würde simuliert. Denn eine wichtige gemeinsame Erkenntnis sei: Die Konferenz kann ein echtes Momentum erzeugen und Schub und Anstoß für eine echte Reformdebatte sein. Um strukturiert diskutieren zu können, gibt es thematische Arbeitsgruppen, die bestimmte Aspekte näher unter die Lupe nehmen können. Dazu gibt es folgende zehn Themenkategorien: Klimawandel und Umwelt; Gesundheit; Eine stärkere Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung; Die EU in der Welt; Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit; Digitaler Wandel; Demokratie in Europa; Migration; Bildung, Kultur, Jugend und Sport; Weitere Ideen.

Dr. Katrin Böttger, Direktorin des Instituts für Europäische Politik, wünscht sich für die Konferenz, dass sie keine reine Institutionendebatte wird. Wenngleich institutionelle Fragen wichtig sind und nicht ausgeklammert werden sollen, müsse der Fokus auf inhaltlichen Themen liegen. Die Erwartungen an die Konferenz soll man gleichzeitg nicht zu hoch hängen. Die Konferenz könne nicht alle offenen Fragen der EU lösen und alle unterschiedlichen Positionen zusammenführen. Deswegen solle man die Erwartungen an die Konferenz nicht zu hoch hängen. Nicht alle gordischen Knoten werden durchschlagen werden. Die Berichtersttung in überregionalen und regionalen Medien verrät ein echtes Interesse an der Plenarversammlung. Eine zentrale für die Struktur des Diskussionsprozesses sei, wie die Einbindung der Bürgerschaft gelingen und der Austausch konkret organisiert werden kann. Zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger müssten auch den Mut haben, sich in Gremien zu äußern und Position zu beziehen. Auch Europaskeptiker müssten angemessen zu Wort kommen können. Und es stellt sich Frage, wie ein Gleichgewicht bei der Beteiligung der Menschen aus großen und kleinen Mitgliedstaaten gewährleistet werden kann. Es zeigt sich dabei, dass die Frage, wie eine solche Konferenz gerecht organisiert werden kann, zugleich Grundfragen der EU im Umgang miteinander widerspiegelt.

Laut Staatssekretär Sprich haben sich bei der ersten Plenarversammlung verschiedene Themenbereiche abgezeichnet. Der eine zeilt auf institutionelle Veränderungen ab und nimmt die Handlungsfähigkeit der EU in den Blick, etwa beim Stichwort Gesundheitsunion. Weitere Themen, die im Fokus stehen, sind der Klimaschutz und die damit zusammenhängenden Transformationsprozesse und die Migration in die EU. Letzteres ist ein Thema, das durchaus kontrovers diskutiert wird und Konfliklinien sichtbar werden lässt. Mit Blick auf die die Konferenz begleitenden Online-Foren seien, so Böttger, die Themen Klimawandel und Umwelt sowie Demokratie in Europa am meisten diskutiert. Dabei zeigt sich, inhaltliche poltitische Ziele sind dann erreichbar, wenn die politischen Strukturen dies auch ermöglichen. Kurz: Koordination und gemeinschaftliche Politiken müssen funktionieren. Inhaltliche Themen und politische Entscheidungsstrukturen lassen sich also nicht entkoppeln.

Was muss am Ende der Konferenz erreicht sein, damit die Zukunftskonferenz erfolgreich war? Für Böttger keine leicht zu beantwortende Frage, weil auch der Weg das Ziel ist. Nämlich die Erkenntnis, dass ein direktdemokratischer Weg hilfreich und sinnvoll sein kann, um die EU weiterzuentwickeln. Zudem wäre es gut, so Böttger, tatsächlich die Zukunft Europas und nicht nur der EU zu diskutieren, andere Beteiligte einzubeziehen und Europa weiter zu fassen als 27 Mitgliedstaaten der EU. Speich begrüßt den Vorschlag von Guy Verhofstadt, die Westbalkanstaaten als Beitrittskandidaten in die Konferenz einzubinden. Zudem wünscht er sich, dass die Mitwirkung der Regionen, Kommunen und Bundesländer in den Politiken der EU gestärkt wird, nicht als Selbstzweck, sondern weil der EU nützt, wenn sie die Expertise derjenigen Ebenen, die EU-Recht vor Ort umsetzen, als Feedback in den den Gesetzgebungsprozess einbindet. Auch gehören die Instrumente von Mehrheits- und Einstimmigkeitsentscheidungen bei der EU auf den Prüfstand. Man sollte sehen, welche Veränderung im Rahmen der bestehenden Verträge möglich sind. Wenn erforderlich sollte man auch den Prozess der Vertragsänderung nicht scheuen, um die Ergebnisse und Ziele der Konferenz zu verwirklichen.

Hintergrund

Die Zukunftskonferenz ist unter anderem eine Idee des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Sie sollte ursprünglich am 9. Mai 2020 starten und einen Zeitraum von zwei Jahren umspannen. Jetzt ist pandemiebedingt ein Prozess von einem Jahr vorgesehen, der unter französischer Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 abgeschlossen werden soll.

Das Plenum der Konferenz zur Zukunft Europas setzt sich aus 108 Vertretern des Europäischen Parlaments, 54 Vertretern des Rates (zwei pro Mitgliedstaat), drei Vertretern der Europäischen Kommission und 108 Vertretern aller nationalen Parlamente sowie Bürgerinnen und Bürgern zusammensetzen. Das Plenum tagt erstmals in einer konstituierenden Sitzung am 19. Juni 2021, weitere Sitzungen sind in diesem Jahr am 23. Oktober 2021 und am 18. Dezember 2021 angesetzt. Neben Staatssekretär Dr. Mark Speich entsendet der AdR von deutscher Seite die Landtagspräsidentinnen von Baden-Württemberg und Bayern, Muhterem Aras und Ilse Aigner.

Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) vertritt die Interessen der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften aller 27 EU-Mitgliedstaaten. Seine 329 Mitglieder sind Vertreterinnen und Vertreter der lokalen und regionalen Ebene. Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2020 die Funktion des Vorsitzes der Deutschen Delegation im AdR übernommen. Vorsitzender ist Europastaatssekretär Dr. Mark Speich, der zugleich Vorsitzender der Fachkommission für Unionsbürgerschaft, Regieren, institutionelle Fragen und Außenbeziehungen (CIVEX) ist.

 

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